11.05.2011 - Am Wochenende steht im Mülheimer Waldstadion ein großes Spiel an. Um 18 Uhr treten am Samstag die Senioren-Auswahlmannschaften der Städte Mülheim an der Ruhr und Osternienburg gegeneinander um den Löwenpokal an. Seit Startschuss dieses Wettbewerbs am 2. Oktober 1960 ist es nun das 100. Mal, dass um den bayerischen Löwen in Porzellangestalt gekämpft wird. Hockey.de hat sich anlässlich dieses Jubiläums mit Wolfgang Bruckmann, dem Manager des Pokalverteidigers Mülheim, über liebgewonnene Traditionen und Eigenheiten des Löwenpokals unterhalten.
Herr Bruckmann, am Samstag steht etwas Besonderes an – das 100. Spiel im Löwenpokal. Was geht Ihnen da durch den Kopf?
Bruckmann: Zunächst mal, dass es für uns Mülheimer Pokalverteidiger sicher kein einfache Aufgabe wird, uns gegen die starke Osternienburger Herausforderer-Mannschaft zu behaupten und damit den Löwenpokal behalten zu dürfen. Insgesamt betrachtet ist es natürlich ein stolzes Jubiläum für diesen über 50 Jahre alten Wettbewerb.
Worin besteht der Reiz des Löwenpokals?
Bruckmann: Es gibt keinen anderen bundesweiten Hockeywettbewerb für Spieler über 40 Jahre. Von daher ist der Löwenpokal die einzige Möglichkeit für solche Hockeysenioren, sich außerhalb von Freundschaftsspielen sportlich zu messen. Auch aufgrund der großen Tradition ist die Bedeutung des Löwenpokals für die Beteiligten schon hoch.
Was ist denn wichtiger: Die 70 Minuten auf dem Spielfeld oder die „3. Halbzeit“ danach im Clubhaus?
Bruckmann: Der Ehrgeiz, den Löwenpokal zu gewinnen oder zu verteidigen, ist natürlich ausgeprägt. Aber klar ist, dass es sich in unserem Alter doch eher um Breiten- denn um Leistungssport handelt, selbst wenn ehemalige National- und Bundesligaspieler auf dem Platz stehen. Und der Verlauf der 3. Halbzeit hängt immer auch von den beteiligten Akteuren ab. Einmal ist dieses gemeinsame Zusammensitzen nach dem Spiel ausgefallen, weil der noch unerfahrene Herausforderer davon angeblich nichts wusste. Aber natürlich ist es Tradition, dass der Pokalverteidiger als Heimteam den auf eigene Kosten anreisenden Gast nach dem Spiel komplett zu bewirten hat. Das ist für manchen Ausrichter schon zu einer nachtfüllenden und teuren Angelegenheit geworden. Deswegen können wir uns das ja auch nicht häufiger als zwei Mal im Jahr leisten (lacht).
Die elf Spieler auf dem Platz müssen gemäß Ausschreibung ein Mannschaftsmindestalter von 500 Jahren zusammenbringen, und kein Spieler darf jünger als 40 Jahre alt sein. Wie streng wird das denn gehandhabt, und wer kontrolliert es?
Bruckmann: Einen Personalausweis hat bislang noch keiner vorlegen müssen, um einen Beweis anzutreten. Und es steht auch niemand mit einem Taschenrechner am Spielfeldrand und zückt bei einer Einwechslung eines 40-Jährigen für einen 60-Jährigen sofort die Rote Karte, weil damit womöglich das Gesamtalter auf 498 Jahre gesunken wäre. Erstens kennt man sich untereinander in der Regel so gut und lange, dass es auffallen würde, wenn da eine Mannschaft mogeln wollte. Außerdem spielen wir nicht nur im Sinne des Fair Play gegeneinander, sondern handeln auch danach. Es gab in all den Jahren wirklich noch nie Knatsch.
Foto: Gerd Bachmann (Mitte; mit Andreas Schönfeld, links, und Henry Gesche) ist mit 26 Einsätzen Löwenpokal-Rekordspieler.
Sie gehen also schon davon aus, dass die Regeln im Groben und Ganzen beachtet werden.
Bruckmann: Ja, eindeutig! Nur als Beispiel: Im November 1980 war Krefeld der Herausforderer von Mülheim. Kurzfristig kam die Nachricht aus Krefeld, dass man das Mindestalter von 500 Jahren nicht auf den Platz bringen könne und man das Spiel um den Löwenpokal deshalb absagen müsse. Weil schon das Meiste vorbereitet war, haben wir dann stattdessen ein Freundschaftsspiel ausgetragen.
Mülheim mit 40 Siegen und Hamburg mit 37 Erfolgen sind die mit weitem Abstand überragenden Mannschaften in diesem Wanderpokal für Städtemannschaften. Wieso ausgerechnet diese beiden?
Bruckmann: Ich denke, dass das in unserem Fall etwas mit den äußerst erfolgreichen Clubmannschaften des HTC Uhlenhorst in den 50er und 60er Jahren und dann wieder in den 80er Jahren zu tun hat, und Hamburg hat ja mit über 25 Vereinen, darunter auch vielen traditionsreichen und großen und erfolgreichen, einfach ein riesiges Potenzial an guten Hockeyspielern jenseits der Vierzig.
Beim Betrachten der Sieger- und Teilnehmerlisten fällt auf, dass zwar die meisten größeren deutschen Hockeystädte irgendwann mal beteiligt waren, aber ein mit Hamburg vergleichbares Hockeyballungsgebiet im Löwenpokal überhaupt nicht auftaucht. Die Rede ist von Berlin. Eine Erklärung dafür?
Bruckmann: Tatsächlich ist Berlin in keinem der 100 Löwenpokal-Spiele dabei gewesen. Vermutlich hat dort immer eine Person gefehlt, die als Koordinator, Organisator und mitunter auch als Motivator wirkt. Schließlich müssen Spieler sich dann auch vereinsübergreifend untereinander verstehen, was offenbar keine Selbstverständlichkeit ist. Carl Ruck für Hamburg war in der Frühphase des Löwenpokals ein Musterbeispiel dafür. Solche Personen sind sehr wichtig und oft entscheidend, wie es mit dem Wettbewerb vorangeht. Aber Berlin steht nun das erste Mal auf der Herausfordererliste.
Apropos Herausforderer. Derzeit umfasst die Liste 17 Mannschaften. Nach der zuletzt gängigen Praxis mit zwei Löwenpokal-Partien im Jahr müsste der Letzte rund acht Jahre auf sein Spiel warten. Ziemlich unbefriedigend, oder?
Bruckmann: Ja, da gehören Geduld und Ehrgeiz dazu, so lange warten zu können. Aber man sollte nicht vergessen, dass über lange Jahre hinweg höchstens sechs, sieben Herausforderer vorhanden waren und meist keiner länger als zwei Jahre auf sein Spiel warten musste. Die Liste ist erst in den letzten beiden Jahren so extrem angewachsen. Das spricht ja auch für die Beliebtheit des Löwenpokals.
Es gab ja mal Bestrebungen, den Modus zu reformieren. Warum ist das gescheitert?
Bruckmann: Vorgeschlagen wurde eine Art Vorkampf der Herausforderer. Ich habe davon nichts gehalten und gehöre damit zu denen, die den Modus schon immer so wollten, wie er ist. Veränderungen sind nicht gewünscht.
Aus Sicht des Titelverteidigers kann es Ihnen ja auch egal sein, wie lange manche warten müssen.
Bruckmann: Auch Mülheim hat nach dem Pokalverlust 2001 fünf lange Jahre auf seine nächste Chance warten müssen. So etwas schärft ja dann auch den Ehrgeiz, beim nächsten Mal wieder gewinnen zu wollen.
Bis auf eine Bestmarke hält Mülheim alle Rekorde im Löwenpokal. Ist das Ihr Antrieb, auch noch die letzte Lücke zu schließen?
Bruckmann: Es stimmt: Wir wollen die Hamburger Serie von 20 erfolgreichen Löwenpokal-Spielen in Folge (1983 bis 1992) brechen. Wir hatten schon mal 17 erreicht, ehe die Serie vor zehn Jahren riss. Bei aktuell neun erfolgreichen Partien müssen wir noch eine Weile durchhalten. Schätzungsweise für alle Ewigkeit werden wir den Rekordspieler stellen: Gerd Bachmann (60). Er bestreitet am Samstag seinen 27. Einsatz. Keiner hat mehr Löwenpokalspiele bestritten. Und falls wir gegen Osternienburg bestehen, werden Andreas (64) und Philipp (40) Schönfeld das erste Vater-Sohn-Duo eines Löwenpokal-Siegers sein. Bislang gab es nur 1996 ein Vater-Sohn-Gespann mit dem Braunschweiger Otbert Krüger (damals 73) und seinem 43 Jahre alten Sohn. Braunschweig hat das Spiel allerdings 0:1 verloren – gegen uns!
Welche Rolle im Löwenpokal spielt eigentlich der Deutsche Hockey-Bund?
Bruckmann: Höchstens eine begleitende. Man könnte auch sagen: Der DHB hat sich nie eingemischt. Das musste er auch nicht, der Löwenpokal war zum Glück immer ein Selbstläufer. Aber es gibt regen Kontakt zu DHB-Breitensportreferentin Maren Boyé, die im Bedarfsfall unterstützend hilft. Sportlich beteiligt waren immer wieder auch mal DHB-Präsidenten. Beispielsweise der amtierende Stephan Abel 2006 für Köln. Und 1985 schoss der damals frisch ins Amt gewählte Wolfgang Rommel für Hamburg das 1:0-Siegtor gegen Offenbach.
Hat denn die Siegertrophäe alle Feierlichkeiten und 3. Halbzeiten bisher heil überstanden?
Bruckmann: Toi, toi, toi! Tatsächlich ist es immer noch das Original, das Ende der 50er Jahre aus feinstem Nymphenburger Porzellan hergestellt wurde. Zum Glück hat noch keiner einen Hockeyball draufgeschossen oder ihn zu Boden fallen lassen. Der Löwenpokal wäre noch nicht einmal versichert! Ein Tausender wäre wohl mindestens fällig, müsste man ihn ersetzen. Ginge er kaputt, wäre wohl mehr als der Geist des Wettbewerbs beschädigt.
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Unten: Fundstücke aus den zwei Alben, in denen fast lückenlos alle Stationen der Löwenpokal-Spiele mit Zeitungsausschnitten, Mannschaftsaufstellungen, Fotos etc. kunstvoll dokumentiert wurden.
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